Das Buch
Heinrich Schirmbecks Erzählungen lassen an E.T.A. Hoffmanns und Edgar Allan Poes skurrile Alpträume denken, sie führen uns eine Welt vor Augen, in der das Zeichen, die magische Wiederkehr, die Vertauschung und Vieldeutigkeit der Identität, die unscharfen Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, Gegenwart und Vergangenheit eine zentrale Rolle spielen. Sie geben stets eine ,unerhörte Begebenheit‘ im Goetheschen Sinne, ungewöhnliche, auch zwielichtige, unheimliche Erfahrungen, Konflikte und Charaktere. „Souverän wandelt der Erzähler Schirmbeck durch Grenzräume menschlicher Existenz, durch die Abgründe der Seele“, so schrieb Wolfgang Hädecke in der „Stuttgarter Zeitung“.
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Auch die hier erstmals publizierte Novelle „Der Kris“ berichtet Seltsames. Sie erzählt die tragische Geschichte einer jungen Witwe, die nach dem Verlust ihres Mannes, eines Tropenarztes, eine neue Liebe findet und auf mysteriöse Weise ums Leben kommt, sie erzählt auf einer höheren Ebene zugleich vom Gegensatz zwischen Orient und Okzident sowie vom dämonischen Fluch eines javanischen Dolches, des Kris, der in das Schicksal der Liebenden eingreift.
Schirmbecks Novelle entstand bereits 1942 und war von Peter Suhrkamp für den Band „Die Fechtbrüder“ (1944) vorgesehen. Nicht nur ihr Umfang verhinderte das. Denn über ihren Charakter als exotisch-phantastische Geschichte einer tragischen Liebe hinaus ist die Erzählung, wie der Herausgeber Gerald Funk in seinem Nachwort nachweist, ein nicht unbedeutendes Beispiel für das, was man die ,verdeckte Schreibweise‘ oder die ,ästhetische Opposition‘ der im Dritten Reich herangewachsenen jungen Autorengeneration genannt hat. Sie ist geprägt von jenem verhaltenen und anspielungsreichen Manierismus, der bei vielen Autoren der Zeit zur einzig möglichen Strategie des Schreibens unter den Bedingungen der Diktatur wurde, jener, wie Schirmbeck selbst schrieb, „letzten Zuflucht eines ,inneren Widerstandes‘, der offen nicht geäußert werden konnte.“